Vor 10 Jahren: Eine Branche atmet auf Polizei fasst Autobahn-Schützen

    • Offizieller Beitrag

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    Foto: Jan Bergrath; Montage: ETM

    Vor 10 Jahren verhaftet die Polizei den Autobahnschützen. Der versetzte Automobil-Logistiker in Angst. Nun gibt eine Film-Dokumentation Einblicke in die Fahndung – und wie Mautdaten hätten helfen können.

    Einer der spektakulärsten Fälle in der deutschen Kriminalgeschichte wurde vor 10 Jahren aufgeklärt. Der Mann, der offenbar jahrelang auf mehr als 750 Lkw schoss, wurde gefasst. Die hauptsächlich betroffene Branche der Autospediteure war sehr erleichtert, aber sie konnte sich nicht wirklich freuen. Zumindest nicht öffentlich. Vielfach wurde offenbar befürchtet, dass die böse Geschichte am eigenen Namen kleben bleibt.

    Rückblick auf den Autobahnschützen

    Auch als es noch akut war, wurde das Problem eher unter der Decke gehalten. Mit den kriminellen Aktionen des Einzeltäters Michael K., die Menschenleben gefährdeten und Kapital vernichteten, wollte niemand wirklich in einem Atemzug genannt werden. Und niemand wollte öffentlich zugeben, dass vielleicht das eigene Unternehmen besonders im Visier des Verbrechers stand. Das hat sich auch, nachdem er in Untersuchungshaft sitzt, kaum geändert. Auf Nachfragen von trans aktuell nach Reaktionen auf die Ergreifung von Michael K. lautete die Antwort fast überall: Dazu haben wir nie etwas gesagt, und dazu sagen wir auch jetzt nichts. Insgesamt ganze neun Einschusslöcher wurden der Redaktion gegenüber erwähnt.

    Infos gibt’s fast nur hinter vorgehaltener Hand

    Hinter vorgehaltener Hand heißt es aber: „Natürlich waren auch wir betroffen, aber das ist ein heikles Thema. Keiner möchte ‚hier‘ schreien, denn schließlich wurde ja Ware von Kunden beschossen.“ Und wer will sich schon in schlechtes Licht rücken? Einer, der sich nicht wegduckt, ist Frank Book, Dispositionsleiter bei Sandmann Transporte im Emsland. Von sieben Fällen im Betrieb spricht er: „Das ist angesichts der Gesamtzahl von über 700 nicht viel.“ Fast jeder Spediteur, der im Automobiltransport tätig sei, sei im Grunde genommen betroffen gewesen, schätzt er ein. Ein finanzieller Schaden sei seinem Unternehmen durch die Schüsse nicht entstanden, hier hätten die Versicherungen gegriffen. Sicherlich müsse man noch den Verwaltungsaufwand dazu rechnen, sagt Book, aber viel schlimmer sei die Verunsicherung der Fahrer gewesen. „Das große Problem war, dass man vorbeugend ja eigentlich nichts machen konnte.“

    Nur noch mit mulmigem Gefühl im Lkw unterwegs

    Torsten Soike war einer der Sandmann-Fahrer, dessen Fracht es dann voriges Jahr erwischt hat, eher untypisch auf der A2 in der Nähe von Berlin, nicht weit von zu Hause. Als er seine VW-Transporter beim Kunden ablieferte, stellte er das Einschussloch in einer Fahrzeugtür fest. Glück im Unglück nennt er das. „Da war mir schon ziemlich mulmig“, sagte der damsls 49-Jährige. Er sei allerdings durchweg mit gemischten Gefühlen gefahren. „Man hat eben immer geguckt, ob oben auf der Brücke einer steht.“ Verständnis für den schießenden Kollegen, der Stress als Grund für seine Wahnsinnstaten nannte, hat er überhaupt nicht. „Stress ist in unserem Job normal.“

    Chef des Schützen bezieht schon damals Stellung

    Einer, der sich auch nicht wegducken will, ist Bernd Kreutz. Er war der Chef des Schützen. „Das ist für uns alle hier überhaupt nicht nachvollziehbar“, sagt Kreutz. „Das ist einfach surreal.“ Der schwergewichtige Mann, der jetzt in Würzburg in Untersuchungshaft sitzt, ist in der Spedition Hermanns & Kreutz nie negativ aufgefallen. Zwölf Jahre hat er in dem mittelständischen Unternehmen in Monschau in der Eifel gearbeitet. „Er hat unsere Kinder aufwachsen sehen“, sagt Kreuz, und „wenn einer so lange im Betrieb ist, dann hat man schon ein spezielles Verhältnis.“ Der 57-Jährige hat bei Kreutz angefangen, als der Betrieb nur ein Drittel so groß war, er hat den Aufschwung der Spedition miterlebt, als er anfing, hatte das Unternehmen rund 70 Mitarbeiter.

    Täter ist ein Schwerverbrecher

    „Der Micha war einer, der immer einen lockeren Spruch drauf hatte und dem nichts zu viel wurde“, sagt Kreutz. Er fühlt sich menschlich enttäuscht und fragt sich immer wieder, ob er im Vorfeld etwas hätte bemerken können. Aber die Antwort fällt negativ aus. „Es ist gut, dass er jetzt da ist, wo er ist“, stellt Kreutz fest. „Er ist ein Schwerverbrecher. Trotzdem kann ich aus der Zeit, wo er hier gearbeitet hat, nichts Negatives sagen.“

    BKA untersuchte den Lkw des Schützen

    Als das Bundeskriminalamt (BKA) am Sonntag der Festnahme bei Kreutz im Betrieb auftauchte, wurden auch die Lkw untersucht, die der vermeintliche Täter gelenkt hat. „Wenn neue Fahrzeuge zu vergeben waren, war Micha immer ganz vorne mit dabei. Daran lässt sich ablesen, welche Stellung er hatte“, sagt der Spediteur. Er ließ alle seine anderen Mitarbeiter direkt über die Ergreifung des Schützen telefonisch informieren, bei allen herrschte Fassungslosigkeit. Jeder andere sei eher vorstellbar als ausgerechnet der Micha, hätten viele gesagt. „Für uns ist das wie ein Tatort, nur dass wir dieses Mal nicht vor dem Fernseher sitzen, sondern mittendrin.“

    Keine Erklärung für die Wahnsinnstaten

    Der Unternehmer hat keine Erklärung für die Wahnsinnstaten. Daher will er seinen Mitarbeiter in der Untersuchungshaft besuchen. „Er soll mir sagen, warum er das gemacht hat“, sagt er. Mit dem BKA hat er schon über sein Vorhaben gesprochen, entscheiden werde der Staatsanwalt. Dann hat er sich noch etwas vorgenommen: Er will sich um die Frau des Täters kümmern. „Bislang konnten wir keinen Kontakt herstellen, aber wir wollen sie unterstützen, wo es geht.“

    Gewaltbereitschaft auf der Straße zu beobachten

    Ein Kompliment sprach Prof. Dr. Karlheinz Schmidt, damals geschäftsführendes Präsidialmitglied des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) der Polizei aus. „Das war kein leichtes Unterfangen, den Täter dingfest zu machen.“ Allerdings zeuge der Fall auch von dem täglichen Wahnsinn, der auf den Straßen stattfinde. Es gebe sehr viel Gewaltbereitschaft hinter dem Steuer, wenn man sich irgendwo belästigt fühle durch andere Verkehrsteilnehmer. Es gelte ganz allgemein in den Köpfen der Autofahrer noch viel zu bewegen. „Aber dem Irrsinn kann man nicht vorbeugen.“ Im weiteren Verlauf zeichnete der BGL den Präsidenten des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, für die Ergreifung desAutobahnschützen mit dem Großen Wagen aus.

    Maut-Daten hätten schnellen Fahndungserfolg gebracht

    Der Fall habe gezeigt, dass Täter mit sehr wenigen Hinweisen gefasst werden könnten, sagte Yorick Lowin, damals Geschäftsführer des Vereins Automobillogistik (AML) im DSLV. Hätten allerdings die Daten von Toll Collect genutzt werden können, wäre der Zugriff der Polizei viel schneller erfolgt. „Man könnte überlegen, ob es in solch schwerwiegenden Fällen einen Zugang zu diesen Informationen geben müsste“, sagte er. Schließlich gebe es auch noch den ungelösten Fall eines 61-jährigen Parkplatzwächters, der 2005 im Zusammenhang mit Maut-Prellerei auf einer Raststätte überfahren worden sei. Hier geht die Polizei von einem vorsätzlichen Tötungsdelikt aus, das in der Nähe einer Mautbrücke geschah.

    Dokumentation in der ZDF-Mediathek zu sehen

    Aktuell gibt es in der ZDF-Mediathek unter dem Titel „Die Jagd nach dem Autobahnschützen“ eine dreiteilige Dokumentation zu dem Fall. Sie beschreibt aus Sicht der damaligen Fahnder unter anderem, warum das BKA selbst bei Kapitalverbrechen aus Datenschutzgründen nicht auf die Mautdaten zurückgreifen durfte. Das hätte, so das heutige Resümee, wohl rund 300 gefährliche Schüsse auf Autofahrer früh verhindern können. Zum Einsatz kamen dafür auf einem vorher mühsam ermittelten Dreieck zwischen den Autobahnen A3 und A61 Kennzeichenlesegeräte, die zur Überführung des Täters führten.

    quelle: https://www.eurotransport.de/artikel/vor-10…n-11226207.html

    Warum nach den Sternen greifen, wenn man einen fahren kann.

    Mitleid bekommt man geschenkt, Neid muß man sich verdienen.

    Die Tochter des Neides ist die Verleumdung.

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