Sozialdumping in der EU
In Lettland sitzen die ersten Filipinos am Steuer eines Lkw - ganz legal. Drückt das weiter die Frachttarife und die Löhne der Fahrer? Sind die Kabotage-Regeln noch zeitgemäß?
Die Nachricht verbreitet sich im Internet wie ein Lauffeuer – SIA Dinotrans aus Riga, ein lettischer Frachtführer, hat bereits im vergangenen Jahr die ersten Hundert Fahrer von den Philippinen eingestellt. Monatslöhne um die 680 Euro plus Spesen werden spekuliert. Es taucht sogar der Vorwurf auf, dass Volvo die Fahrer aus Fernost geschult haben soll. Das sei skandalös. Auch deutsche Fahrergruppen empörten sich darüber, die Foren waren voll davon. Und die "Beobachter", die das virtuelle Lauffeuer entfacht haben, freuen sich über den ersten Teilerfolg. Dinotrans nahm die Meldung, die für den Wirbel gesorgt hat, vom Netz.
Shitstorm im Internet
Das Gute am Internet ist die hohe Geschwindigkeit, das Schlechte die mangelnde redaktionelle Kontrolle. Dazu kommt das Phänomen "Shitstorm": Kollektive Wut über missliche Zustände entlädt sich in wütenden Mails. "Wir haben über 800 aggressive Zuschriften bekommen", klagt Martin Schmidt, Geschäftsführer der Niederlassung von Dinotrans in Lübeck. "Viele Mails mit Beleidigungen wie ´Fuck you, Dinotrans´, andere mit rassistischen Äußerungen. Leider auch aus Deutschland. Dabei darf ich nur daran erinnern, dass es zunächst deutsche Fahrer waren, die viele Jahre lang deutlich unter dem Tariflohn heimischer Fahrer in Dänemark gearbeitet haben, bevor sie dort nun ihre Jobs an die Osteuropäer verloren haben."
Das Fass läuft über
Es scheint, als seien die philippinischen Fahrer, die nach Recherchen von FERNFAHRER völlig legal und zu den Arbeitsbedingungen Lettlands eingestellt wurden, der letzte Tropfen in ein riesiges Fass, das gerade überzulaufen droht. Stichwort: Sozialdumping. Dagegen heißt es aus Schweden, für Volvo sei Dinotrans ein normaler Geschäftspartner. Deshalb würden die Fahrer auf Wunsch des Kunden nach EU-Vorgaben geschult, solange sie dort in einem legalen Arbeitsverhältnis stehen. Und daran gäbe es keine Zweifel.
Keine Änderung der Kabotagebestimmungen
Nun droht das nächste Problem: Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften laufen in vielen Ländern gemeinsam Sturm gegen die geplanten Änderungen der seit dem 14. Mai 2010 gemeinschaftsweit geltenden einheitliche Kabotagebestimmungen. Der BGL hat sich mit der Nordic Logistic Alliance (NLA) verbündet. Er plädiert bei seinem jüngsten Gespräch mit EU-Kommissar Siim Kallas dafür, die bestehenden Kabotageregelungen strikter anzuwenden und keine weiteren Lockerungen vor einer Angleichung des Sozialgefälles vorzusehen.
http://www.eurotransport.de/bilder/fernfah…eu-6473823.html