Wettbewerb: Dumping unter Nachbarn
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Deutsche Transporteure kommen bei den Vor- und Nachläufen im
Kombinierten Verkehr zunehmend unter die Räder. Grund ist die dort
geltende unbeschränkte Kabotagefreiheit, die polnischen Betrieben
zugutekommt. trans aktuell hat sich davon in Brandenburg ein Bild
gemacht.
Polen gegen Deutschland: Anders als im Fußball gibt es bei
Transporten kein Fair Play. Auch im Jahr zehn nach dem EU-Beitritt
Polens profitieren dortige Transportunternehmen von immensen
Kostenvorteilen, sei es bei den Löhnen oder den Spritpreisen. Hiesigen
Betrieben bleibt oft nichts anderes übrig, als dem Wettbewerb
zähneknirschend das Feld zu überlassen. Das gilt speziell für das
Segment des Kombinierten Verkehrs (KV).
Bei Vor- und Nachläufen gibt es keinerlei Kabotage-Beschränkungen
Dort leiden deutsche Transportdienstleister zusätzlich darunter, dass
es bei den Vor- und Nachläufen keinerlei Kabotage-Beschränkungen gibt.
Während es also in allen anderen Segmenten Schutzvorrichtungen für
deutsche Betriebe gibt, haben im KV die Kräfte des Marktes freien Lauf
und polnische Unternehmen freie Fahrt. Die Bundesregierung hat dieser
gewerbefeindlichen Regelung ihren Segen erteilt. Festgehalten ist der
strittige Passus in Artikel 4 der Richtlinie 92/106/EWG. Der
Gesetzestext ist 22 Jahre alt – und für deutsche Firmen ärgerlicher denn
je.
Der Schiene nutzt er nichts, ihr wird dadurch keine Sendung
zusätzlich zugeführt. Die Richtlinie hat zur Folge, dass deutsche
Transportdienstleister reihenweise ihr Geschäft verlieren. Besonders
deutlich wird das am Kombi-Terminal Frankfurt (Oder), wo fast kein
deutscher Lkw mehr anzutreffen ist. Entsprechende Eindrücke lieferte
eine zweitägige Observierung, die die Redaktionen trans aktuell und
FERNFAHRER, der Landesverband des Berliner und Brandenburger
Verkehrsgewerbes (LBBV) und die Spedition T&P aus Frankfurt (Oder)
im Dezember organisiert hatten. Ihre Teams waren mit fünf Autos am
Terminal stationiert und rund zwei Dutzend polnischen Lkw gefolgt. Ziel
war es herauszufinden, auf welchen Relationen und wie häufig die
polnischen Frachtführer im hiesigen Binnenverkehr tätig sind.
Das Schlupfloch der KV-Richtlinie bietet Freiheiten
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Die Dominanz der polnischen Fahrzeuge rund um das Terminal ist nicht
zu übersehen. Die kostenseitig ohnehin überlegenen polnischen
Transporteure nutzen zusätzlich die gesetzlichen Kabotage-Freiräume, um
ihre deutschen Kollegen ins Abseits zu befördern. Durch das Schlupfloch
der KV-Richtlinie haben sie alle erdenklichen Freiheiten. Es gibt weder
eine Beschränkung auf drei innerdeutsche Fahrten, noch ist ein
vorheriger grenzüberschreitender Transport mit Entladung in Deutschland
erforderlich. Im Zusammenhang mit der Schiene greifen diese
Kabotage-Vorgaben nicht.
Herzlicher könnten sich die polnischen Kollegen also kaum eingeladen
fühlen, die Verkehre zum Kombi-Bahnhof zu übernehmen. Sie fahren jedoch
zu anderen Konditionen, was einem Preisdumping in der Region Tür und Tor
öffnet. Dabei will die neue schwarz-rote Bundesregierung genau dieses
in der Logistik verhindern, wie aus dem Koalitionsvertrag hervorgeht.
Vier innerdeutsche Fahrten mit einem polnischen Lkw
Das Beschatterteam folgt zum Beispiel einem polnischen Lkw-Duo, das
an einem Tag gleich vier innerdeutsche Fahrten absolviert. Unter
normalen Umständen wäre das ein klarer Rechtsbruch, wäre das KV-Terminal
nicht im Spiel. Die in der Region Lodz zugelassenen Fahrzeuge brechen
zunächst zum Holzbearbeiter Klenk im brandenburgischen Baruth/Mark auf
und fahren danach retour zum Terminal. Von dort geht es mit neuen
40-Fuß-Containern in die sächsische Gemeinde Kodersdorf bei Görlitz, wo
der ebenfalls in der Holzverarbeitung tätige Empfänger Klausner sitzt.
Würden die polnischen Fahrer kein KV-Terminal ansteuern, sondern sich
abseits der Schiene bewegen, käme sie das teuer zu stehen:
Kabotage-Verstöße stellen Ordnungswidrigkeiten dar und können laut
Bundesamt für Güterverkehr (BAG) mit Bußgeldern von bis zu 20.000 Euro
geahndet werden.
Kabotage-Aktivitäten führen zu Marktstörungen
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Branchenvertreter können nicht verstehen, warum der Gesetzgeber
dieses KV-Schlupfloch nicht längst gestopft hat. Fakt ist für den LBBV
und die Spedition T&P, dass diese Kabotage-Aktivitäten genauso zu
Marktstörungen führen. "Darunter leiden wir ganz erheblich", sagt
T&P-Geschäftsführer Michael Lange. Sein Unternehmen war selbst mit
zwei Containerfahrzeugen im KV tätig. Nachdem aber die polnische
Gesellschaft PCC Intermodal den Betrieb des benachbarten Kombi-Terminals
übernommen hatte, hätten sich die Konditionen innerhalb eines Jahres
erheblich verschlechtert. "Man hat uns mitgeteilt, dass wir nur noch zu
Konditionen der polnischen Frachtführer fahren können", sagt der
Unternehmer. Soll heißen: Tagessätze für 270 Euro, plus 60 Cent pro
Kilometer für alles, was über 400 Kilometer hinausgeht. "Uns blieb nur
der komplette Ausstieg."
Die polnischen Frachtführer kommen damit offenbar klar und heizen den
Wettbewerb weiter an. Vater Staat scheint das nicht zu hinterfragen:
Die öffentliche Hand – EU, Bundesrepublik und das Land Brandenburg –
haben in den vergangenen Jahren 14,3 Millionen Euro an Fördergeldern in
das Terminal Frankfurt (Oder) gesteckt, wo so gut wie kein deutscher Lkw
mehr vorfährt.
Dumping-Konditionen setzen Preisniveau unter Druck
Es gehe aber weniger darum, den verloren gegangenen Verkehren
nachzutrauern, sagt Spediteur Lange. Viel schwerer wiegt für ihn die
Tatsache, dass diese Dumping-Konditionen das angespannte Preisniveau in
der Region noch weiter unter Druck bringen. Als Reaktion auf diese
Auswüchse macht sich der LBBV für einen Kabotage-Grenzbezirk in einem
Korridor von 150 Kilometern hinter der deutschen Grenze stark. "Das ist
auch zeitlich befristet vorstellbar, bis sich die Marktbedingungen
angeglichen haben", sagt Verbandsgeschäftsführer Eberhard Tief.
Als ausgemacht gilt: Wenn nichts passiert, verschwindet im Vor- und
Nachlauf zum KV auch noch das letzte deutsche Kennzeichen. Die Politik
will der Schiene auf die Sprünge helfen und nimmt dafür offenbar die
Pleite deutscher Straßentransporteure in Kauf.
http://www.eurotransport.de/bilder/wettbew…otoshow_item=22