Hinter Gittern: Lkw-Fahrer in Italien inhaftiert
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Verstoß gegen das Fahrverbot: Die italienische Polizei
beschlagnahmt einen Lkw und sperrt den Fahrer auf einem ehemaligen
Militärgelände ein.
Es gab keinen Prozess, keine Verurteilung und trotzdem war Hans
Wilhelm tagelang hinter einem meterhohen Zaun gefangen. "Man fühlt sich
wie ein eingesperrtes Tier, ohne Wasser, ohne Essen", erinnert sich
Wilhelm an die vier Tage, die er auf einem ehemaligen Militärgelände in
Italien verbringen musste. Die sanitären Anlagen befanden sich auch
hinter Eisengittern. Fahrzeugpapiere, Führerschein und Ausweis behielt
die italienische Polizei ein. "Es war unter aller Menschenwürde." Der
Lkw-Fahrer, der für die bayerische Spedition Brunnhölzl unterwegs war,
ist auch Wochen nach dem Vorfall entsetzt. Duschen und Toiletten waren
von Freitag- bis Sonntagabend nur für eine Stunde geöffnet. Ansonsten
stand dem 56-Jährigen und einem dänischen Leidensgenossen nur ein am
Gebäude befestigter Wasserschlauch zur Verfügung.
Bei 33 Grad Celsius war der "Inhaftierte" froh, genug Diesel im Tank
zu haben, um die Klimaanlage laufen lassen zu können. Der Vater von zwei
Kindern hatte sich seinen wöchentlichen Essensvorrat bis zu diesem
Freitag eingeteilt. Als er am Samstagmorgen nur noch Kaffee übrig hatte,
bot ihm der dänische Kollege sein Essen an. "Ich fühlte mich furchtbar
hilflos", gesteht Wilhelm. Die Zeit des ungewissen Wartens war für ihn
besonders belastend, weil er an Multipler Sklerose erkrankt ist und
regelmäßig Medikamente benötigt.
Der Grund für die Gefangennahme? Ein angebliches Fahrverbot.
Schuld an den Strapazen war der Vorwurf, dass er bei Fahrverbot
unterwegs gewesen sein soll. Allerdings wusste er von diesem Verbot
nichts, denn die Anzeigetafel in Trento war, wie zwischenzeitlich von
den Behörden bestätigt, zu dem Zeitpunkt seit vier Wochen defekt
gewesen. In der Fahrverbotsliste 2011 für Italien, die der Dispo seines
Arbeitgebers vorlag, war für den besagten Freitag keine derartige
Vorschrift eingetragen. Lediglich auf italienischsprachigen Radiosendern
kam ein Hinweis. Für Wilhelm, der kein Italienisch versteht, war die
Radiodurchsage nutzlos. Für den Speditionsunternehmer Rudolf Brunnhölzl
aus Kirchl/Hohenau ist das, was seinem Fahrer in Italien passiert ist,
einfach unbegreiflich: "Wir sind in der EU, in einem Wirtschaftsraum. So
behandelt man doch nicht seine Nachbarn."
Was war im Detail passiert? An einem Freitag Anfang September gegen
16.30 Uhr war Hans Wilhelm von der italienischen Polizei nahe Brixen
angehalten worden. Der Vorwurf: Er habe gegen das Fahrverbot, das
zwischen 16 und 20 Uhr an diesem Freitag in Italien gelte, verstoßen.
Das Bußgeld in Höhe von 389 Euro sei sofort zu entrichten. So viel
Bargeld hatte Wilhelm nicht dabei und mit der Firmenkreditkarte lassen
sich aus Sicherheitsgründen nur 100 Euro pro Tag abheben. Brunnhölzl
telefonierte mit dem befreundeten Speditionskollegen Paul Riederer im
italienischen Bruneck und bat um Hilfe. Dieser sicherte zu, die rund 400
Euro auszulegen und setzte sich sofort mit der zuständigen
Polizeidienststelle in Verbindung. Die Mühe war umsonst. Die Beamten
teilten mit, dass es nun zu spät sei und dass der Lkw beschlagnahmt und
von dem Abschleppunternehmen Nordauto abtransportiert werde. Mit viel
Glück konnte Wilhelm das Entfernen des Lkw verhindern, denn er hatte
Sperrholz für die Wohnmobilfi rma Knaus in Jandelsbrunn geladen. Ein
Abschleppen hätte die Ware beschädigt. Stattdessen fuhr er einem
Begleitfahrzeug nach. Auf dem Ex-Militärgelände "Tridentina" angekommen,
verriegelte der Mitarbeiter die Tore hinter ihm.
Unübersichtliche italienische Bürokratie und immense Produktionsausfallkosten.
Chef Brunnhölzl setzte alle Hebel in Bewegung, um die Angelegenheit
schnellstmöglich zu klären. Doch vom Landesverband Bayerischer
Transport- und Logistikunternehmen (LBT) erhielt er lediglich die
Adresse einer Anwaltskanzlei in Bozen. Der Speditionskollege Riederer
erklärte sich bereit, vor Ort zu helfen und der Sache nachzugehen. Doch
auch er konnte am Wochenende nichts erreichen. Am Montag erfuhr er, dass
für das Umsetzen des Fahrzeugs und das Umladen der Ware eine Kaution
fällig war. Nachdem er diese bezahlt hatte, teilte ihm Nordauto mit,
dass eine polizeiliche Bestätigung zur Freigabe der Ware erforderlich
sei. Erst am Dienstagmorgen hat Riederer eine Bestätigung erwirken
können. Um den beschlagnahmten Lkw auf sein Betriebsgelände überführen
zu können, musste er eine Erklärung unterzeichnen: Sollte der Lkw von
seinem Grundstück wegkommen, drohten ihm 50 Tage Haft. Zusätzlich zur
Kaution verlangte Nordauto 520 Euro Standgeld. In der Zwischenzeit war
ein unbeladener Lkw von Bayern nach Italien unterwegs, um Wilhelm
abzuholen und die Ware für die Auslieferung umzuladen. Als der
Ersatz-Lkw das Holz am Dienstagabend dem Kunden brachte, lag von Knaus
bereits eine Mitteilung über 92.000 Euro Produktionsausfallkosten vor.
Die Unverhältnismäßigkeit der Vorgehensweise der italienischen Polizei
schockierte Brunnhölzl. Schließlich war für den Lkw auch noch ein
einmonatiges Fahrverbot verhängt worden und Hans Wilhelm musste ebenso
lange auf seinen Führerschein und Ausweis warten.
Er kontaktierte den Mittelstandsvertreter und FDP-Kreisvorsitzenden
Gerhard Drexler. Der Politiker nahm sich der Sache an und verlangt,
"dass eine solch inakzeptable Vorgehensweise durch europäische Beamte
nicht wieder vorkommen und die Verantwortlichen in diesem Fall zur
Rechenschaft gezogen werden sollen". Außerdem erwarte er eine
Entschuldigung und eine finanzielle Wiedergutmachung des
wirtschaftlichen Schadens des Spediteurs, aber auch des Fahrers. Mit
diesen Forderungen wandte sich Drexler an das Bundesjustizministerium.
Von dort aus ging die Angelegenheit an den italienischen Botschaftsrat,
der nun die Dokumentation des Vorfalls prüft. Drexler erhielt die
Zusicherung der Botschaft, dass sie ihn baldmöglichst über die
Fortschritte bei der Klärung des Falls benachrichtigen wird.
Quelle:https://trucker-forum.at/www.eurotransport.de