Mercedes Antos 1843
Ergänzung für den Actros
Der Mercedes Antos soll den vielfältigen Einsatz im
Verteilerverkehr mit einem breiten Variantenangebot optimieren.
Das war gerade noch rechtzeitig. Just am Tag, bevor die ersten
Serienvarianten des Mercedes Antos von den Fließbändern im Daimler-Werk
Wörth rollen, standen die ersten Fahrzeuge zum exklusiven Fahrtest
parat. Eine Aufnahme in den Kader der „International Truck of the
Year“-Kandidaten kann nämlich nur erfolgen, wenn ein neues Lkw-Modell
für eine Testfahrt bereit steht und auch noch im Jahr der Wahl in Serie
produziert wird. Und während der IAA soll der begehrte Titel schon
verliehen werden.
Premium-Qualität für den Verteilereinsatz
Zehn Antos, deren Scheinwerfer sich noch unter diskreter Camouflage
verstecken, müssen stellvertretend den Beweis dafür ablegen, dass
Mercedes das breite Feld des Verteilereinsatzes künftig in
Premium-Manier bestellt. Keine leichte Aufgabe, denn so vielfältig sich
das Einsatzspektrum vom Stadteinsatz über gemischte Einsätze zwischen
den Metropolen bis hin zum nationalen Linienverkehr gestaltet, so
variantenreich muss die Modellpalette aufgestellt sein.
Dabei genießt der Antos bereits auf den ersten Blick einen Bonus. Er
ist dem großen Bruder Actros mit dem Querbalken-Waben-Grill wie aus dem
Gesicht geschnitten. Doch man soll ein Buch nicht nach seinem Umschlag
beurteilen. Der Antos ist eine Klasse für sich. Mit drei
Fahrerhausversionen, unterschiedlichen Dach- und Motortunnelhöhen und
einem breiten Chassisangebot vom 18 Tonnen schweren Solo-4x2 über
Dreiachser bis zur Sattelzugmaschine für 40-Tonnen-Einsätze reicht der
Antos vom Einsatzgebiet des weiland schwersten Atego bis weit in die
Actros-Leistungsklasse hinein. Hinzu kommen Spezialversionen für
volumenoptimierte Transporte ("Volumer") mit echten drei Meter
Laderaumhöhe und für nutzlastsensitive Fracht ("Loader").
Powershift ist Standard
Spannend ist der Einstieg ins Verteilergeschäft vor allem deshalb,
weil dieses Segment mehr als in anderen Einsatzklassen mit rigide
geführtem Rotstift regiert wird. Das trifft oft für Fahrzeughersteller
wie auch für Kunden zu. Eine neue Bescheidenheit im Sinne ärmlicher
Ausstattung muss man dem Antos erfreulicherweise nicht attestieren.
Vielmehr leistet Daimler wieder einmal Pionierarbeit und macht auch im
Verteilerbusiness das automatisierte Powershift-Getriebe als
Standardausrüstung salonfähig.
So erwartungsfroh eingestimmt, schreitet der Fahrer über die drei
treppenartig ausgeformten Trittstufen in die durchgängig 2,3 Meter
breite Kabine. Im Fall der getesteten Sattelzugmaschine handelt es sich
um ein mittellanges Fahrerhaus mit flachem Dach, das für längere Rast
oder gar für gelegentliche Übernachtungen über eine Klappliege im Format
60 mal 200 Zentimeter verfügt.
Doch der Fahrerplatz ist wichtiger. Der vielfältig verstellbare Stuhl
gewährt auch für außer der Norm gebaute Fahrer genügend
Verstellmöglichkeiten. Zusammen mit dem einstellbaren
Multifunktionslenkrad lässt sich so eine Sitzposition finden, die als
perfektes Gegenmittel für den alltäglichen Verkehrsstress wirkt.
Leichtes Kriechen im Anfahrgang
Per Dreh am ebenfalls multifunktional ausgebildeten rechten Lenkstock
meldet sich das zwölfstufige Powershift-Getriebe zur Arbeit, die mit
leichtem Kriechen in der Anfahrgangstufe und Hillholder-Funktion in der
Steigung selbst Brancheneinsteiger vor keine Vortriebsprobleme stellt.
Die Arbeit des Getriebes zu beschreiben ist ebenso müßig, wie sich
lobend über Lenkung und das harmonisch abgestimmte Fahrwerk auszulassen.
Denn die Komponenten sind weitgehend dem Actros entliehen, in dem sie
bereits in fünfstelligen Stückzahlen auf der Straße unterwegs sind. Das
Getriebe kann man also im positiven Sinne ad acta legen, ein echtes
Pfund im Mahlstrom des City-Einsatzes. Die Lenkung zieht einen Pkw-artig
sauberen Strich und nervt weder durch zu hohes Rückstellmoment noch mit
übertragenen Fahrbahnschlägen. Chassis- und Kabinenfederung wirken
angenehm straff und gut aufeinander abgestimmt. Die Seitenneigung fällt
gering aus, aber ohne sportliche Härte zu produzieren. Die Kabine selbst
wirkt vom Fahrerplatz aus deutlich geräumiger als das Atego-Haus, das
auf dem Antos-Onkel Axor saß.
Ein Actros light also, der seinen Job mit knapp 40 Tonnen
Gesamtgewicht überzeugend souverän verrichtet. Dazu trägt auch der
Reihensechser OM 470 unter der Kabine bei. Die 10,7-Liter-Variante
reicht beim Antos von 326 PS bis hin zum 430er mit üppigen 2.100
Newtonmeter Drehmoment. Mit gut eingeschenkten 428 PS rangiert er im
Verteilersegment im Leistungsoberhaus, gerade richtig für die Mitnahme
voll ausgeladener Auflieger aus dem Depot. Das sämig über den
Hauptfahrbereich verteilte Drehmoment und die weiter verfeinerte Logik
der dritten Powershift-Getriebegeneration lassen das Thema Vortrieb
ebenfalls auf der Habenseite im Antos-Konto verbuchen.
Sechszylinder mit hoher Elastizität
Hektische Schaltereien unterbindet der Sechszylinder trotz
ellenlanger Gesamtübersetzung des Zuges durch hohe Elastizität. Nur
während der Talfahrt lässt sich das gekonnte Zusammenspiel von
Hochleistungsmotorbremse und gutmütigem Antrieb aus dem Tritt bringen.
Hier kann der Fahrer das Euro-6-Triebwerk – teilweise auch durch
Fehlbedienung – an ungesunde Drehzahlgrenzen treiben. Dem Motor darf man
aber nicht nur in diesen Drehzahlhöhen eine gewisse akustische Präsenz
attestieren.
Der Ausblick vom Fahrerstand auf den urbanen Individualverkehr ist
einwandfrei, die Rücksicht in den vibrationsfreien Spiegeln ebenso.
Sollte es trotzdem einmal eng werden, trotzen die Stahlecken der
dreiteiligen Frontstoßstange fehlgeleiteten Familienkutschen. Damit es
dazu nicht erst kommt, darf sich der Antos-Kunde auf der langen
Wunschliste auch alle jene Sicherheitsausstattungen aussuchen, die im
neuen Actros eingeführt wurden. Als da wären Abstandsassistent 3,
Attention Assistent gegen das Wegschlummern am Steuer, der weiter
verfeinerte Spurführungsassistent und einiges mehr.
So lässt sich der Antos in der schwersten Variante als
Sattelzugmaschine für 40 Tonnen Zuggesamtgewicht zum gewichtsoptimierten
Actros-Konkurrenten für den Flotteneinsatz konfigurieren. Das ist von
den Mercedes-Produktstrategen auch erwünscht. Die beiden Brüder Actros
und Antos sollen ja nicht um Kundschaft wetteifern, sondern sich
ergänzen.
Notbremssysteme - Bis zum Stillstand
Mit der dritten Generation des Active Brake Assistant setzt Daimler
auf dem Markt der Notbremssysteme einen Akzent. Die jüngste Variante des
auf Abstandsradartechnik aufgesetzten Systems ist nun auch in der Lage,
stehende Hindernisse auf der Fahrbahn zu erkennen und eine
Gefahrennotbremsung bis zum völligen Stillstand einzuleiten. Um
Fehlauslösungen durch statische Objekte am Fahrbahnrand auszuschließen,
überwacht ABA permanent auch ohne gesetzten Abstandstempomaten die
Fahrspur und warnt im Notfall den Fahrer optisch sowie akustisch, bevor
er eine Notbremsung einleitet.
http://m.eurotransport.de/test/mercedes-…os-3369454.html